Box

Daniel Spanke, Die Wirklichkeit des Fotos in der Kunst, Ralf Peters: Plastische Fotografie ISBN:3-980836-2-7

Die Serie von Ralf Peters, die das vielleicht am deutlichsten zeigt, heißt Boxes (S. ## - ##). Der Künstler hat hier Architekturfotografien gleichsam als Werkstoff benutzt und diese zu Bildern von körperhaften, abstrakten Gebilden verarbeitet und geformt. Das Manipulieren von Fotografien und ihre Behandlung als „plastisches Material“ ist eine der bevorzugten künstlerischen Strategien Peters’, die ihn in Boxes das Bild derart autonom werden lässt, dass es unmöglich ist, sie in die physikalische Wirklichkeit zurück zu übersetzen. Das größtdimensionierteste, was Menschen schaffen können – gebaute Architektur -, das „Fest-Gegründete“ schlechthin, wird als Bildelement Bauteil einer plastischen Komposition, die so selbst nicht in der Plastik, sondern ausschließlich im Bilde möglich ist. Der Wettstreit der Kunstgattungen untereinander, der Paragone, ist ein altes Motiv der Kunstgeschichte und –theorie. Hier scheint Peters einen Paragone zwischen Plastik und zweidimensionalem Bild zu Gunsten des letzteren vorzuführen, indem er die Plastik auf ihrem eigenen Felde, dem Erfinden und Gestalten dreidimensionaler Körper, schlägt. Denn nur das flache Bild kann in seinem Zeigen die Physik der festen Körper außer acht lassen, kann Unmögliches erscheinen und dieses auch noch frei im imaginären Raum schweben lassen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte mehr, wie groß die Objekte sein könnten. Ebenso wenig ist es für den Betrachter denkbar, sich selbst zu den Objekten des Bildes zu verorten, da sie ohne jede Beziehung zu anderen Dingen, die als Raummarken funktionieren könnten, freigestellt sind. Raum erzeugen sie einzig aus ihrer eigenen Plastizität und nur für ihren eigenen Körper. Eine Physik scheinen diese Objekte also nur in sehr begrenztem Maße und geradezu autistisch zu besitzen. Eine Tendenz der sammelnden, vor allem älteren Naturwissenschaften, ihre Interessensgegenstände gleichsam auf sich selbst zu reduzieren, und die auch in den Open Studies eine Rolle spielt, wird in ihrer Problematik hier konsequent vorgeführt.[1] Dabei kann der Künstler in diesem Werkgedanken durch die Bildtechnik der Fotografie die ihr zugeschriebene Qualität, Wirklichkeit glaubhaft zu dokumentieren, gegen die Wirklichkeit seiner Bilder voll ausspielen.

 

[1] Vgl. Maurice Merleau-Ponty: Das Auge und der Geist (1961). In: Ders.: Das Auge und der Geist. Philosophische Essays. Hrsg. v. Hans Werner Arndt. Hamburg 1984, S. 13-43.

Carsten Ahrens, Katalog „CLOSE UP“ Verlag : modo ISBN 3-922675-37-9

Ralf Peters trägt den Traum von der Verwandlung der Welt in ein neues Zeitalter. Seine Arbeiten jonglieren mit den fest stehenden Realitäten der alltäglichen Wirklichkeit, hebeln sie in spielerischer Weise aus. Sein künstlerischer Blick vereint in den Metamorphosen neuer Bildmedien spielerischen Witz und kritische Tiefe. Der Künstler dekliniert seine Sujets, seien es Tankstellen, Schwimmbäder, Einkaufszeilen oder, wie in der jüngsten Serie, raumgreifende Architekturen, wie sie die Silhouetten unserer Städte bestimmen, durch die Parameter seiner künstlerischen Sprache in eine andere Wirklichkeit.
Peters interessiert die solitäre Stellung dieser architektonischen Giganten, die in ihrer losgelöstheit vom städtischen Umraum als Zeichen erscheinen, in denen sich Macht und Modernität von Unternehmen spiegeln. Diese erratischen Blöcke des Stadtraumes geraten im Prozess der digitalen Metamorphose in eine gänzliche Isolation. Es entstehen skulpturale Körper, die auf den Flächen des Bildes zu schweben scheinen. Peters dreht die Koordinaten der Gebäude, legt ihr aufwärts strebendes Moment auf die Seite und spiegelt die Architektur in ihrem eigenen Ästhetizismus. „Boxes“ nennt der Künstler die so entstehenden reizvollen Körper, die durch wenige Handgriffe nur zu scheinbar handhabbaren Objekten werden. Unser Blick navigiert gewissermaßen auf den spielerischen Oberflächen, den ornamentalen Linien dieser außer Kraft und Funktion gesetzten Häuser und schärft sich gleichsam zu einer fundierten Kritik unseres Begriffs von städtischer Architektur.
Vilèm Flusser sprach in seinen Texten immer wieder davon, dass der Mensch der Zukunft kein homo faber mehr sei, sondern vielmehr auf dem Sprung gedacht werden müsse, ein homo ludens zu werden. Einmal mehr formulieren zunächst die Künstler diesen vorgestellten Weg. Der spielerische Akzent, der den Künstler in die Rolle des Mediators versetzt, der aus den Daten des Realen eine andere Welt destilliert und vor.

Einzelausstellung Kunstverein Mannheim